Breathe! Was ist Prana?

ViennaYoga by Michéle • Jan. 16, 2018

Was kann ich über meine Atmung steuern und wie?

Pranayama - das Sanskrit-Wort - hat durch seine umfangreiche Wortzusammensetzung einige Bedeutungen:
pra = Bewegung; na = endlos, ständig; prana = Atem, Energie, Leben; yama = Kontrolle; ayama = Ausdehnung, Ausweitung

Und genau das ist Pranayama. Der Sinn und Nutzen, also der Umgang mit dem Atem wird unter anderem im 4. Glied des 8-gliedrigen-Yoga Pfades (aus den Yoga-Sutren von Patanjali) beschrieben.

Wie beim Tauchen, spielt auch bei der Yoga-Asana-Praxis und ebenso im Alltag das kontrollierte, bewusste Atmen eine nicht nur technisch Rolle .

Der Atem ist der Spiegel von Körper, Geist und Seele.

So wie wir uns fühlen , so atmen wir

  • körperlich (müde, stark, ...)
  • geistig (unkonzentriert, klar, ...)
  • seelisch (ängstlich, verliebt, ...)
Unbewusst und automatisch fließt unser Atem unaufhörlich. Das muss aber nicht völlig unkontrolliert bedeuten. Wir Menschen haben durch unseren Intellekt (ihr erinnert euch vielleicht an unseren Wagenlenker aus dem Beitrag zum Thema 'Asana'?) die Fähigkeit, dieses 'wie wir uns fühlen' durch bewusstes Atmen zu lenken. Wenn es ein gutes Gefühl ist, können wir es durch unseren Atem intensivieren oder ausdehnen. Wenn es ein schlechtes ist, verändern, abschwächen oder ganz auflösen. Denn der Atem ist das Bindeglied zwischen Körper und Geist.
... that's it. Good stuff :)! I love to be a human and to know what my intellect is about :) ! ...

Tauchen und Atemtechnik

Beim Tauchen können wir zudem durch die Kenntnis der Anatomie des Atems unsere Tiefe, das Gleiten, kontrollieren (ohne unser Jacket aufzublasen oder Luft abzulassen), was die Gleichmäßigkeit, den Fluss und die Harmonie des Tauchgangs absolut positiv beeinflusst. Den Sauerstoffverbrauch können wir ebenfalls durch die Atemkontrolle regulieren und selbstverständlich auch unsere Gefühle (z.B. Aufregung; positiv oder negativ); was in manchen Situationen nützlich sein kann ;) .

Pranayama (Atem)-Techniken

Insgesamt kann die Atmung grundsätzlich in 4 Phasen unterteilt werden:

  1. Einatmung (Puraka)
  2. Pause nach der Einatmung (Antar Kumbhaka)
  3. Ausatmung (Rechaka)
  4. Pause nach der Ausatmung (Bahya Kumbhaka)


Bei der Yoga-Praxis werden unterschiedliche Techniken mit unterschiedlichen Wirkungen angewandt und geübt. Zudem sind alle Techniken auch Vorbereitungen für die Meditation:

  • Purna (die Volle-Yoga-Atmung, Fülle in Bauch, Rippen/Brust, Schlüsselbein)
    stärkt das Atembewusstsein
  • Ujjayi (die Atmung mit verengten Stimmritzen):
    stärkt die Konzentration, Lenkung des Atems in einzelne Körperteile, löst Blockaden, Erwärmen der Luft, beruhigt und regeneriert den Geist, hilft bei Atemwegserkrankungen und leichtem Schnupfen, kräftigt die Atemmuskulatur (Zwerchfell)
  • Nadi Shodhana oder Anuloma Viloma (die Wechsel-Atmung):
    ausgleichend, harmonisierend - Varianten davon:
    • Surya, die Sonnen-Atmung: aktivierend, energiespendend, wärmend, hilft gegen Müdigkeit, Pingala-Nadi aktivierend
    • Chandra Bhedana, die Mond-Atmung: beruhigend, kühlend, hilft gegen Nervosität und innerer Hitze, Ida-Nadi aktivierend
    • Sitali (die kühlende Atmung mit eingerollter Zunge):
      kühlt den Organismus, belebend, durstlöschend, erfrischend
    • Kapalabhati (die Feueratmung):
      kräftigt die Atemmuskulatur (Zwerchfell), entgiftet und entsäuert das Blut, beruhigt, Reinigung der Lunge
      • Bhastrika (die Blasebalgatmung):
        aktiviert die Verdauung, kräftigt die Bauchmuskeln, verbessert den Säure-Basen-Haushalt im Blut, intensiviert das Strömen der Lebensenergie (Prana) und lädt den ganzen Körper damit auf, aktivierend, vitalisierend
      • Kumbhaka (Box-Atmung - meine Lieblingstechnik ; die Wirkung wird noch ausführlicher behandelt - im 'Freak-Anhang' ):
        steigert die Sauerstofftransportkapazität im Blut, beugt Migräne vor, beruhigt den Geist, fördert die Willenskraft, vitalisierend, verhilft zu einem Gefühl von Wachheit und Klarheit da mehr Nährstoffe das Gehirn erreichen

      Übungsempfehlung und Zusammenfassung

      Um die Wirkung aller Atem-Techniken zu intensivieren , empfiehlt es sich beim Üben zu lächeln und sich bei jedem Ausatmen von allem zu befreien was einen belastet, und mit jedem Einatmen Freude aufzunehmen.

      Wenn du beim Üben nicht weißt, worüber du lächeln sollst, lächle, weil du die Zeit gefunden hast zu üben und du dir diese Zeit nun durch nichts und niemanden nehmen lässt. Und wenn es dir schwer fällt Freude aufzunehmen, weil du gerade traurig bist, dann mach dir bewusst, dass du gerade durch Atemübungen deine Emotionen aktiv umwandeln kannst und lasse es ungeniert zu und deine Traurigkeit los, sich auflösen.

      Insgesamt kann man die Wirkungen betreffend zusammenfassend sagen, dass Techniken bei denen der Fokus auf der Ausatmung liegt, einen beruhigend Einfluss auf unsere Körperfunktionen und unseren Geist haben. Umgekehrt gibt es Techniken bei denen der Fokus auf die Einatmung gerichtet wird, was eine aktivierende und anregende Wirkung auf uns ausübt und Techniken, die einen gleichmäßigen Ein- und Ausatemrhythmus und damit eine Ausgeglichenheit und Balance fördern. Es gibt auch eine Technik, bei der der Fokus auf den Atempausen liegt -> Kumbhaka-Atmung.

      Was wir über unsere Atmung steuern können wissen wir jetzt.

      Wie geht es dir mit deiner Atmung? Schon mal festgestellt, was ein herzhafter Seufzer bewirken kann und warum er das bewirkt? Bist du eher der Einatempause-Typ oder der Ausatempause-Typ, wobei fühlst du dich wohler? Ich freue mich auf deine Antworten als Kommentar!

      Freak-Anhang (Themenvertiefung)

      Hier nun noch ein kleines bisschen konkreter für all jene von euch, die Lust haben ein wenig tiefer in diese Materie einzutauchen (was uns Tauchern und Yogis in jedem Fall gefällt und gut tut):

      Wie wir durch unseren Atem ein Stück näher zu uns selbst , in unsere Mitte gelangen, verrate ich euch noch kurz anhand des Zusammenhangs mit der ursprünglichen Intention des Pranayama in der Yoga-Philosophie.

      Hierbei ist Kumbhaka zentral für das Heranführen zu uns selbst und damit zur Heranführung zum Ziel des Yoga: citta-vritti-nirodha (das zur Ruhebringen der Aktivitäten des Geistes).

      'Kumbhaka' heißt 'Gefäß'. Ein Gefäß kann sowohl voll wie auch leer sein. So oder so besteht es, an sich, voll als auch leer. Bei dieser Technik kann man sich dies bildlich vorstellen. Das Gefäß ist unser Korpus. Und mit diesem Sinnbild sind wir auch schon wieder ein Stück näher zu uns selbst gerückt. Nun liegt bei dieser Atmung der Fokus auf den Atempausen . Bei der Pause am Ende der Einatmung ist es das willentliche Anhalten der Atmung in der Atemfülle. In dieser Pause kann man spüren, wie sich der Atem in unserem gesamten Körper ausdehnt und jede Zelle mit Sauerstoff versorgt. Am Ende der Ausatmung halten wir ebenso willentlich unseren Atem an und befinden uns damit in der Atemleere. Hierbei kann man spüren, wie wir völlig ruhig und tiefen-entspannt werden, wie sich alles löst. Wie den Verspannungen oder Blockaden die zuvor mit Sauerstoff überflutet wurden, nun der Boden entzogen wird und sie sich auflösen. Zurück bleibt nun das gereinigte, saubere, schöne, edle Gefäß und von Atemzug zu Atemzug, von Fülle zu Leere und Leere zu Fülle, werden wir feinfühliger, fühlen uns ruhiger, reiner, gelöster, unerschütterlicher und tiefer bei uns selbst.

      Jeder hat unterschiedliche Vorlieben für die Atempausen - das ist ganz normal! Manche fühlen sich wohler bei der Atempause in der Atemleere und andere bei der Atempause mit der Atemfülle. Manchmal ist das sogar tages- oder situationsabhängig. Beide haben zwar einerseits unterschiedliche Qualitäten aber sind sich in ihrer Wichtigkeit völlig gleichwertig. An Tagen, an denen uns die eine Pause leichter und angenehmer erscheint als die andere, werden wir, wenn wir unseren Tagesablauf hinterfragen, auch gleich herausfinden woran das liegt und können uns beim Üben dieser Erkenntnis zuwenden und versuchen, beiden Pausen ein harmonisches Gleichgefühl zu geben.

      Bei Kumbhaka übt man somit das Gewahrwerden in den Atempausen. Es geht nicht darum die Atmung zu unterdrücken oder anzuhalten. Das ist nicht gewollt, wie auch unmöglich. Genauso wie das gänzliche stoppen der Geistesaktivitäten (was gut ist!).

      Durch die konzentrierteren und ruhigeren Atemzyklen während dieser Technik, entsteht ein von allein aufkommender Atemstillstand. Die Atmung wird im Prozess der Übung in sich ruhiger, bis ohne jegliche Ein- und Ausatmung der Atem in sich zu ruhen beginnt. Es entsteht innere Reinheit und Gelassenheit.

      Durch die Beruhigung der Bewegungen des Atems kommt es zur Beruhigung des Geistes . Der Übende wird konzentriert und klar in Körper und Geist. Der Körper wird gestärkt. Blockaden sowie Verspannungen beginnen sich zu lösen (körperliche als auch geistige). Wie schon zu Beginn dieses Beitrags erwähnt, ist der Atem das Bindeglied zwischen Körper und Geist

      In diesem Sinne: Namaste meine Lieben. Eure Michéle


      Literaturhinweis:

      Ralph Skuban: Pranayama. Die Heilsame Kraft des Atems. Aquamarin Verlag, Grafing, 3. Aufl., 2018

      Swami Satyananda Saraswati: Asana Pranayama Mudra Bandha. Ananda Verlag, Marktobersdorf, 5. Aufl., 2019

      Orit Sen Gupta: Das Geheimnis der Vayus. Die Yoga-Praxis der Vayus in Asana & Pranayama. Kamphausen Verlag, Bielefeld, 2014

      Kay Bartrow: Die Heilkraft der Atmung. Humboldt Verlag, Hannover, 2021
      Anna Trökes, Bettina Knothe: Neuro-Yoga. Wie die alte Weisheitspraxis auf unser Gehirn wirkt.O.W. Barth Verlag, München, 2014
      Anna Trökes: Die kleine Yoga Philosophie. Grundlagen und Übungspraxis verstehen. O.W. Barth Verlag, München, 2013
      Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Philosophie-Atlas. Via Nova Verlag, Petersberg, 5. Aufl., 2016
      Roland Steiner, Anna Trökes: Yoga für Fortgeschrittene. Gräfe und Unzer Verlag, München, 2012

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