Was ist 'Karma' und wie gehe ich damit um?

ViennaYoga by Michéle • Juni 30, 2018

Schicksal? Selbstbestimmtheit, freier Wille und Freiheit? Ethik der Würde? Karma und Yoga?

Karma

Karma. Irgendwie all das und doch was anderes?

Gehen wir Schritt für Schritt vor um keiner Verwirrung zu erliegen und beginnen wir bei der Wortübersetzung von ‚Karma‘ aus dem Sanskrit. In unsere Sprache wird das Wort als ‚Tat‘, ‚Handlung‘ udgl. übersetzt.

Damit möchte ich dem 'Schicksal' als vergleichbar mit 'Karma' gleich hier an erster Stelle einmal widersprechen. Denn dem Schicksal sagt man nach es sei etwas Vorbestimmtes, das man nicht eigenverantwortlich und bewusst lenken, verursachen oder durch Taten oder Handlungen steuern könnte.

Warum wird dann jedoch so häufig trotzdem von 'Karma' gesprochen, wenn 'Schicksal' gemeint ist?

Dieser Zusammenhang ergibt sich aus den ursprünglichsten Texten, den Upanisads , aus denen hervorgeht, dass Glück und Unglück jedes Menschen durch sein Handeln bestimmt ist und daher das 'Karma' oft als ein unabwendbares 'Schicksal' missinterpretiert wird. Denn nach der Karma-Lehre entkommt man der Wirkung seines Handelns niemals.

Die Karma-Lehre – Schicksal?

Die Verfasser der Upanisads (das sind die ältesten Texte des Yogas und der indischen Philosophie) hielten schon vor tausenden von Jahren fest, dass der Mensch die Möglichkeit besitzt sein Leben, Handeln und sein Bewusstsein des Alltags zu reflektieren. Ihnen fiel auf, dass die Menschen zunächst fremdbestimmt durch die Gebundenheit an die Dinge der Welt, ihr Umfeld, ihre Begierden und Triebe handelten und die daraus resultierenden Ereignisse wurden als 'Schicksal' ausgelegt.

Dieses 'Schicksal' (diese vermeintliche Fremdbestimmtheit) wurde jedoch von den alten Denkern der Upanisads einem Determinismusgesetz unterzogen. Das heißt, sie entwickelten das 'Gesetzt von Karma' (Karma-Lehre) als Erklärung für die so erscheinenden, 'schicksalhaften' Ereignisse und als Befreiung davon (also Befreiung von der Fremdbestimmtheit hin zur Weisung und Ermöglichung einer Selbstbestimmtheit).

So konnte mit dieser neuen Lehre jeder eigenmächtig 'Herr/Frau seines Schicksals werden'. Denn die Lehre besagt, dass jede Handlung eine Wirkung hat, die auf den Verursacher der Handlung selbst zurückfällt. Es entstand eine Handlungsethik durch ein Ursache-Wirkungs-Prinzip (Determinismus). So kann insgesamt erklärt werden, warum es manchen gut und anderen schlecht in ihrem Leben geht.

Wichtig ist dabei nochmal zu verdeutlichen, dass in der Karma-Lehre keine Wirkung einer einmal durchgeführten Handlung verloren geht . Jede Handlung hat ihre entsprechende Wirkung, die auf den Handelnden selbst zurückfällt. Diese Wirkung kann jedoch auch erst nach einer gewissen Zeit, also nicht unmittelbar, nach der Handlung eintreten. Aber nach der Karma-Lehre tritt eine Wirkung in jedem Fall ein und das ist unvermeidbar und absolut . Diese kann sich je nach der Tat (gut oder schlecht), positiv oder negativ für den Handelnden auswirken.

Eine Frage konnte mit der Karma-Lehre jedoch nicht erklärt werden: Warum haben manche Menschen Unglück, obwohl sie immer gut gehandelt haben oder umgekehrt? Zur Beantwortung wurde die 'Wiedergeburt' dem Gesetz des Karmas hinzugefügt.

Durch den Glauben an die Wiedergeburt, hat die Karma-Lehre eine wichtige Erweiterung erfahren. Nämlich ist es demnach möglich, sein 'Karma-Konto' aus einem vorherigen Leben im aktuellen als Wirkung zu bekommen und auch die Handlungen aus diesem, jetzigem Leben können deren Wirkungen ebenso erst im nächsten Leben zeigen.

Umso eher man daher mit der Lehre konfrontiert wird und umso eher man dieser nach anfängt, sein Handeln und Tun bewusst zu überdenken und immer darauf achtet sein 'Karma-Konto' nur noch positiv aufzuladen (denn all unser Tun kehrt einmal zu uns zurück), umso eher und umso mehr Glück werden wir in unserem Leben als Wirkung zurück bekommen.

Eckard Wolz-Gottwald schreibt in seinem 'Yoga-Philosophie-Atlas', dass "die Karma-Lehre […] eine wichtige Funktion in der Bewältigung und im Umgang mit dem Bewusstsein unserer Vergänglichkeit [hat]. Diese Lehre schafft Ordnung, gibt Sicherheit und Halt in der vergänglichen und endlichen Welt und verdeutlicht, wie der Mensch durch die Wirkungen seiner Handlungen gebunden bleibt und damit auch zumeist unfrei ist." (vgl. ebd. S56)

Selbstbestimmtheit, Freiheit – freier Wille?

Sind wir nun nach der Karma-Lehre frei oder unfrei? Selbstbestimmt oder durch unsere Handlungen gebunden?

Wäre es ein Paradoxon zu sagen, dass wir beides zugleich sind:

Frei und selbstbestimmt in dem Maße, als dass wir über unsere Taten reflektieren können und bevor wir etwas tun, uns zurücknehmen und abwägen und überdenken können, was wir im Sinne eines 'guten' Karmas tun (also unser Handeln frei und selbstbestimmt ist).

Und wir zugleich (wie oben beschrieben) unfrei , da jede Handlung unausweichlich eine Wirkung nach sich zieht, der wir uns nicht entziehen können.

Ich denke dies wäre dann ein Kompatibilismus (also ein gemäßigter Determinismus).

Und weil ich hier nun gerade so im Flow bin, stellt sich mir hier nun noch weiter die Frage, ob es überhaupt Freiheit und Selbstbestimmtheit gibt .

Denn diese setzten meines Erachtens den freien Willen als unabdingbares Mittel für die Handlungsentscheidungen voraus . Nach den Gedanken von Schopenhauer und anderen namhaften Philosophen und Dichtern, scheint es äußerst zweifelhaft, dass wir überhaupt so etwas wie einen freien Willen besitzen.

Ein berühmtes Zitat Schopenhauers bringt das knapp auf den Punkt:

"Der Mensch kann zwar tun, was er will. Er kann aber nicht wollen, was er will."

Der Wille ist hier eine Ursache für eine Wirkung (eine Handlung).
Der Wille selbst jedoch ist keine Wirkung irgendeiner Ursache.
Also zumindest keiner frei wählbaren Ursache und genau darum geht es beim Zweifel am freien Willen.
Denn dieser Wille scheint intrinsisch angestoßen zu sein und damit wäre demnach die Selbstbestimmtheit doch wieder nicht gegeben.

Hier könnte ich nun vorzüglich in die Tiefe der Philosophie einfließen aber ich möchte hier dann doch kurz und knapp beim Thema bleiben.

Ethik der Würde?

Die Frage bezüglich der tatsächlichen Freiheit, bleibt offen und ich gehe hier weiter in dem Maße vor, dass ich davon ausgehe, dass wir im Grunde und zumindest vereinfacht gedacht, doch frei und selbstbestimmt in dem Maße sind, als dass wir über unsere Taten reflektieren können und uns die Mühe machen können im Sinne des 'guten' Karmas zu handeln.

Zuvor wurde schon davon ausgegangen, dass Karma (als dem richtigen, guten Handeln) Glück entstehen lässt .

Das ist eine sehr schöne Sicht auf das was Karma ist.

Wenn Karma (als das schlechte, falsche Handeln) ausgeführt wird, kann es jedoch auch Unglück zur Folge haben.

Das scheint in unserer Welt des universellen Gesetztes der Harmonisierungen und Ausgleiche unumgänglich und zugleich auch die einzige Möglichkeit, zwischen gut und schlecht zu unterscheiden. Denn wenn es z.B. die Dunkelheit nicht gäbe, würden wir vermutlich nicht wissen, was Licht und Helligkeit sind. Über diesen universellen Dualismus habe ich in meinem Blogartikel über das OM ausführlicher geschrieben. Daher lasse ich das hier nur mal so stehen ohne nochmals näher darauf einzugehen.

Was hat die Ethik mit der Würde zu tun?

Diese Frage lässt sich gemeinsam, mit der Frage danach, was nun eigentlich 'gutes' oder 'schlechtes' Handeln sei , aus meiner Sicht, vereinfacht beantworten:

Die Karma-Lehre ist eine Ethik , denn sie versucht das Verhalten der Menschen im Umgang miteinander als auch im Umgang mit sich selbst, der Natur und allen Lebewesen zu harmonisieren, d.h. uns anzuleiten, gute und gütige Menschen zu sein .

Würde ist ein Wert, den jeder Mensch hat . Wir haben alle dieses eine Bewusstsein des eigenen Wertes und eine dadurch bestimmte Haltung.

Wenn wir die Würde eines jeden Menschen, Lebewesen und auch der Natur gegenüber durch unser Verhalten diesen und natürlich auch uns selbst gegenüberwahren, dann handeln wir 'gut'. Im christlichen Glauben gibt es hier einen Satz, der in etwa ähnlich darauf abzielt: "Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keiner/m anderen zu."

Das ist meine kleine, einfache Guideline für 'gutes' Handeln.

Karma und Yoga?

Jetzt heißt es aber beim Weg des Yoga, dass wahre Freiheit dann entsteht, wenn wir weniger Tun und weniger Handeln, bis hin zum eigentlichen Nicht-Tun und Nicht-Handeln. Was somit gar nicht mehr die Frage nach dem richtigen, guten Handeln aufwirft.

Wie passt nun Karma eigentlich mit Yoga zusammen? Meine eigene Antwort darauf erschließt sich mir durch den 'Weg', der Yoga nun mal auszeichnet oder sogar ist. Die ersten beiden Glieder des 8-Gliedrigen-Pfades die mit den Sutren von Patanjali beschrieben werden sind Yama: der Umgang mit der Umwelt (Verhaltensregeln, Ethik) und Niyama: der Umgang mit sich selbst, beziehen sich sehr stark auf unsere Taten. Richtiges, gutes, weises, gütiges Handeln und damit würdigen eines jeden Lebewesens, der Natur und uns selbst, sind untrennbar mit der yogischen Lebensweise verbunden.

Begleite mich persönlich bei einem meiner Yoga-Philosophie Workshops.


In diesem Sinne: Namaste meine Lieben! Eure Michéle.

Ich möchte euch hier natürlich nicht vorenthalten, dass es auch ein Karma Yoga gibt. Das " ist im Hinduismus einer der drei oder vier Yogas bzw. Margas, dt. Wege. Karma-Yoga ist der 'Yoga der Tat' und bedeutet ein Handeln, ohne Anhaftung an seine Taten. Karma-Yoga wird oft auch als Yoga des selbstlosen (altruistischen) Dienstes verstanden. Karma Yoga, der Pfad der Werke, strebt danach, jegliche menschliche Aktivität an den erhabenen Willen hinzugeben." - Textausschnitt aus Wikipedia, da ich hier nicht tiefer auf dieses fast schon eigene Thema eingehen möchte, sondern nur darauf verweise, dass es diesen Yoga-Weg gibt und ihr hierüber gerne z.B. auf Wikipedia detaillierter nachlesen könnt.


Ich freue mich wieder auf eure comments, likes and shares.


Literatur-, Quellenhinweis:
Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Philosophie-Atlas. Via Nova Verlag, Petersberg, 5. Aufl., 2016
Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Weisheit leben. Philosophische Übungen für die Praxis. Via Nova, Petersberg, 2. Aufl. 2014
P. Y. Deshpande, Bettina Bäumer: Die Wurzeln des Yoga. O.W. Barth Verlag, Bern, Neuausgabe 2010
Volker Hummel: Die Lehre des freien Willens bei Schopenhauer und Augustinus. Grin Verlag, München, 2010


Weiterführende Links:

https://www.zeit.de/campus/2008/02/interview-freier-wille/seite-5
https://www.gleichsatz.de/b-u-t/trad/shauer/shop1freiwill.html
https://www.humanist.de/wissenschaft/freiheit.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Karma_Yoga

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