citta vritti nirodha

ViennaYoga by Michéle • Dez. 13, 2017

Wie bringe ich durch die Yoga-Praxis meinen Geist zur Ruhe?

Ihr erinnert euch an meinen 1. Beitrag: Was ist Yoga?Was ist das Ziel des Yoga ?
Richtig: citta vritti nirodha (das zur Ruhe bringen der Aktivitäten unseres Geistes)

Was bewegt den Geist?

Unser Geist (citta) hat die Fähigkeit , wahrzunehmen, zu empfinden, also Zugang zu unseren Gefühlen zu bekommen und auch zu unserem Denk- und Reflexionsvermögen, zu unseren Erinnerungen und zu unseren inneren Bildern.

Diese Aktivitäten unseres Geistes sind geprägt von unserer Kindheit und Jugend (sind quasi habitualisiert). Citta heißt nicht nur bloß 'Geist' sondern genauer auch 'Prägungen'. Was wir wahrnehmen oder an was wir uns erinnern trägt oft zu Leid bei.

Vrittis
heißt vereinfacht nicht nur 'Bewegungen, bewegen ' sondern kann auch mit 'wählen ' übersetzt werden. In den Yoga-Sutren werden insgesamt 5 vrittis genauer beschrieben (diese 5 sind: richtige Wahrnehmung, falsche Wahrnehmung/Irrtum, Vorstellung bzw. Denken in Konzepten, Schlaf und Erinnerung). Wir werden uns hier nur einen Überblick verschaffen um den Zusammenhang zu unseren Hirn- oder Geistesaktivitäten (unseren neurobiologischen Zusammenhänge) zu veranschaulichen.

Gerne wird unser Geist mit einer Autobahn zur Stoßzeit verglichen . Hier sind die 5 vrittis die Autos , die sich durch die Straßen schieben und drängen. Immer wieder versucht ein Gedanke einen anderen zu überholen, andere zu verdrängen und unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle in eine Richtung zu lenken. So passiert es rasch, dass wir nicht mehr wissen, 'wo uns der Kopf steht' , warum wir den Eindruck haben in einem Gedankenkarusell gefangen zu sein .

Vrittis bringt aber auch die Freiheit des Wählens mit sich

Um aus diesem Gedankengewühl jedoch ausbrechen zu können, um überhaupt die Möglichkeit einer freien Wahlzu erschaffen, sollten wir uns dem 'nirodha' (zur Ruhe bringen) widmen. Hierzu ruft man sich das Konzept des Gesehenen und des Sehers in Erinnerung. Hierzu empfehle ich euch mein Video zum Thema: 'Selbstbewusstsein' anzusehen.

Solange wir direkt mit unserm Geist in dessen kontinuierlichen Bewegungen festhängen und uns damit identifizieren (damit eins sind), wird es uns nicht gelingen, eine Wahl zu treffen, eine Gedankenruhe herzustellen. Das heißt wir lösen uns zuerst von dem Gedanken, dass wir unser Geist (unsere Erkenntnis, unser Intellekt, unser Verstand, mind) sind. Wenn ihr euch hierzu nochmal die Bilder von meinem letzten Beitrag: 'Asana - leicht und stabil' anseht, wisst ihr gleich wieder, was ich damit meine. Sobald wir nun aus einer übergeordneten Perspektive auf unsere Gedanken-Autobahn sehen, können wir wählen oder einfach nur zusehen.

Sobald wir nurmehr zusehen und keinen Gedanken mehr raumfüllend betrachten, bewerten und in uns Gefühle wecken lassen, sind wir im 'nirodha'. Wir lassen die Gedanken kommen, betrachten sie (wertfrei) und lassen sie weiterziehen . So stellt sich immer tiefere, herrliche Ruhe in uns ein.

Wie sieht das in Verbindung mit unserer Yoga-Praxis aus?

In unserer Yoga-Praxis üben wir das zur Ruhekommen unter anderem im Shavasana. Aber auch in jeder beliebigen körperlichen Yoga-Pose, versuchen wir 'nirodha' zu praktizieren und im günstigsten Fall gelingt es uns, dieses Konzept in unseren Alltag einzubringen - ihr erinnert euch: Yoga praktizierenheißt Yoga leben . So können wir es jederzeit anwenden, wenn wir z.B. mal wieder nicht wissen 'wo uns der Kopf steht' oder wir mit Gefühlen umzugehen haben bei denen wir gerade nicht wissen, wie wir diese bändigen können.

Betrachtet eure Gedanken aus einer übergeordneten Perspektive, seid nicht euer Geist, nicht eure Gedanken, nicht eure Gefühle sondern der 'Ihr Selbst, der Wagenherr'und helft euch mit dem 'Wagenlenker/eurem Intellekt', eure Gedanken zu zügeln.

Die Geschichte des 'Zügelns' im Zusammenhang mit z.B. den ' kleshas ' (das sind Leid verursachende Handlungen/den Geist trübende Leidenschaften) sehen wir uns in einem kommenden Beitrag an. Oder du begleitest mich persönlich bei einem meiner Yoga-Philosophie Workshops.

In diesem Sinne: Namaste meine Lieben. Eure Michéle


Hast du schon mal die Erfahrung des citta-vritti-nirodha angewandt? In welcher Situation? Wie ist es dir dabei ergangen? Schreib mir deine Erfahrungen im Kommentar.


Literaturhinweis:
Anna Trökes, Bettina Knothe: Neuro-Yoga. Wie die alte Weisheitspraxis auf unser Gehirn wirkt.O.W. Barth Verlag, München, 2014
P. Y. Deshpande, Bettina Bäumer: Die Wurzeln des Yoga. O.W. Barth Verlag, Bern, Neuausgabe 2010
Sukadev Volker Bretz: Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute. Verlag Via Nova, Petersberg, 6. Aufl. 2016

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