Bandhas: Kraft, Energie und in Liebe verbunden?
Was sind 'Bandhas', wie setze ich diese und wozu? Wie verbindet die Aktivierung der 'Bandhas' zwischenmenschlich?
‚Bandha‘ ist ein Sanskrit-Wort und heißt übersetzt vor allem: binden, halten, verschließen. In der klassischen Yogapraxis, werden 3 bzw. 4 Bandhas regelmäßig zur Unterstützung von:
- Körperspannung, -stabilisation, -stützung
- Wirbelsäulenlängung/-aufrichtung
- Kraftunterstützung (Bandhas werden auch ‚Kraftzentren‘ genannt)
- Prana-Steuerung ( Atmung, Energie)
- Organmassage
angewandt und geübt.
Bandhas aktivieren/setzten
Eine gängige Ansage der Yoga-LehrerInnen ist: ‚Bandhas setzen‘, ‚Bandhas aktivieren‘.
Das heißt, dass je nachdem, welcher Verschluss (Bandha) gerade ‚gesetzt/aktiviert‘ werden soll, dessen beteiligte Muskel kontrahiert
, also angespannt werden. Je länger man Yoga praktiziert und je öfter man diese Bandha-Muskelkontraktionen anwendet, umso feinfühliger wird man hierbei. Anfangs kann noch ein erhöhtes Maß an Konzentration aufzubringen sein um die Muskeln, die zu kontrahieren sind, überhaupt zu spüren. Daher gibt es einige Tricks, wie man sich diese Kontraktionen bildlich vorstellen und Schritt für Schritt vorgehen kann um sich dieser Regionen bewusster zu werden und damit auch den vollen Wirkungsvorteil erfahren
zu können.
Die Bandhas (von unten nach oben)
- Mula Bandha - Wurzelverschluss
- Uddiyana Bandha – Bauchnabelverschluss
- Jalandhara Bandha – Hals-/Kehlkopfverschluss
- Maha Bandha – alle 3 o.g. Bandhas gemeinsam
Wie aktiviert/setzt man diese Bandhas und was bringen diese Kontraktionen?
1.
Mula Bandha
– Wurzelverschluss
Dieser Verschluss wird durch die Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur aktiviert.
Diese Muskulatur besteht aus dem Damm-Muskel, der sich mittig von Schambein (vorne), Steißbein (hinten) und den Sitzbeinhöckern (links, rechts) befindet und hier im entspannten Zustand wie eine ‚Hängematte‘ und im aktivierten Zustand wie ein ‚Trampolin‘ als unser Beckenabschluss sitzt.
Aktivierungsanleitung und Wirkung:
Gesetzt wird dieser Verschluss im Zuge der Einatmung .
Entweder wird er bei jeder Ausatmung wieder gelöst oder er wird auch während der darauffolgenden Ausatmung gehalten und bei jeder weiteren Einatmung nachjustiert/-gezogen.
2-Schrittanleitung zur Aktivierung:
1. Becken kippen:a) Schambein nach oben ziehen -> der untere Rücken wird in die Länge gezogen
b) Steißbein nach unten ziehen -> die Lendenwirbel werden stabilisiert
2. Muskelkontraktion zwischen After und Geschlechtsorgan:
a) Vorstellung: als müsste man den Urinstrahl + Stuhlgang zurückhalten
b) Vorstellung: als gäbe es einen Reißverschluss mit dem man die beiden Po-Backen bis vorne hoch zum Schambein zu zippen würde
c) Vorstellung: als würde man den Damm-Muskel wie einen Saugnapf zwischen Scham-, Steißbein und Po-Backen nach innen oben
ziehen/saugen und damit die ‚Hängematte‘ zu einem ‚Trampolin‘ spannen
Wirkung:
Durch die bereits beschriebene Längung im unteren Rücken und der Stabilisation der Lendenwirbel , wird ein Hohlkreuz oder Rückenfehlhaltungen vermieden. Eine gestärkte Beckenbodenmuskulatur beugt Inkontinenz vor . Zudem kann es zu einer Steigerung der Orgasmus-Intensität bei Frau und Mann führen. Es heißt auch, dass die Aktivierung dieser Muskulatur die Potenz steigert , da die Durchblutung der Geschlechtsorgane angeregt wird. Auf der energetisch-spirituellen Ebene wird Prana ( Atem/ Energie) nach oben gezogen, die Energie wird damit zum Fließen gebracht und der Körper erwärmt und erhitzt.
Da bei Schwangeren die Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur kontraproduktiv für den Geburtsvorgang wirkt, sollte während der Schwangerschaft kein Mula-Bandha gesetzt werden .
2. Uddiyana Bandha
– Bauchnabelverschluss
Dieser Verschluss wird durch die Kontraktion der Rumpfmuskulatur
aktiviert.
Aktivierungsanleitung und Wirkung:
Gesetzt wird dieser Verschluss im Zuge der Ausatmung .
Genau wie beim Mula Bandha (nur umgekehrt) wird er bei jeder Einatmung wieder gelöst oder während der darauffolgenden Einatmung gehalten und bei jeder weiteren Ausatmung nachjustiert/-gestärkt. Die Atmung geht dabei von einer ‚Bauchatmung‘ in eine ‚Flankenatmung‘ (vor allem aus dem Pilates bekannt) über.
2-Schrittanleitung zur Aktivierung:
1. unteren Bauch nach innen ziehen
a) stabilisiert den mittleren Rücken
2. Bauchnabel nach oben und zur Wirbelsäule ziehen
a) stabilisiert und begradigt den oberen Rücken im
Brustwirbelbereich
Wirkung:
Neben der bereits beschriebenen Stabilisierung im mittleren und oberen Rücken , erfährt jede Asana mit gesetztem Uddiyana-Bandha eine Leichtigkeit durch Stabilisation der gesamten Körpermitte. Die Bauchorgane werden massiert und die Verdauung wird angeregt . Das Zwerchfell wird nach oben gezogen und es entsteht ein leichtes Vakuum (ein Sog) im Brustraum, was zu einem Gefühl der Leichtigkeit führt. Das heißt der Körper fühlt sich vom Brustbein aufwärts leicht und entspannt an, da sich die Kraft (bewusste Anspannung) auf Höhe des Bauchnabels befindet. So können unter anderem Lockerungen von möglichen Schulter- und Nackenverspannungen oder Spannungskopfschmerzen wahrgenommen werden. Nicht zuletzt wirkt dieses Bandha wie eine statische Muskelkräftigungsübung und ist somit förderlich für einen kräftigen, flachen Bauch bzw. Körpermitte. Auf energetisch-spiritueller Ebene sorgt Uddiyana-Bandha für die Verteilung von Prana ( Atem/ Energie) im Brustraum ermöglicht dem Prana ein weiteres Aufsteigen und sich Ausdehnen .
Die Kombination von 1) Mula-Bandha (Aktivierung beim Einatmen) und 2) Uddiyana-Bandha (Aktivierung beim Ausatmen) im Atemrhythmus führt zu 'Sthira' (stabil) und 'Sukha‘ (leicht) in der Yoga-Praxis.
Es bedarf einer kontinuierlichen Konzentration auf Atmung und Muskelkontraktion was am Anfang etwas schwierig erscheinen mag, vereinfacht sich bei regelmäßigem Üben.
3. Jalandhara-Bandha – Hals-/Kehlkopfverschluss
Dieser Verschluss wird durch die Kontraktion der Nacken- und minimal auch durch die Kiefermuskulatur aktiviert und befindet sich in der Kehle.
Aktivierungsanleitung und Wirkung:
Gesetzt wird dieser Verschluss im Zuge einer Atemübung/-technik (zB bei der Kumbhaka-Atmung). Das heißt dieses Bandha wird vorrangig in der Atempause gesetzt.
2-Schrittanleitung zur Aktivierung:
1. Kinn leicht nach unten neigen und sanft nach
hinten zwischen die Schlüsselbeine ziehen
a) Nackenwirbel werden auseinander- und in die
Länge gezogen, dabei die Bandscheiben entlastet
2. Kinn sanft nach hinten zwischen die
Schlüsselbeine ziehen
a) Kehlkopf wird sanft nach innen gesaugt
Wirkung:
Neben der bereits beschriebenen Entlastung der Bandscheiben zwischen den Halswirbeln was zu einer Lösung von Nackenverspannungen und Spannungskopfschmerzen führen kann, kommt es durch die nach innen gerichtete Kehlkopfhaltung - wie am Ende eines Schluckens - zu einem Verschließen der Luft- und Speiseröhre was auf der energetisch-spirituellen Ebene das nach oben geleitete Prana ( Atem/ Energie), also den aufwärtsgerichteten Energiefluss, nach unten leitet . So kann ein Zirkulieren der Energie im Körper angeregt werden. Auch soll auf dieser Ebene dieses Bandha den Druck vom Herzen nehmen und damit zu mentaler Entspannung führen (dh zum Nachlassen von Stress und Ärger ). Zudem reguliert und fördert die Aktivierung von Jalandhara-Bandha den Blutfluss zwischen Herzen, Nacken und Kopf. Der sanfte Druck der auf den Kehlkopf wirkt, trägt weiters zu einer ausgewogenen Schilddrüsenfunktion bei und wirkt so regulierend auf den Stoffwechsel . Dieser Druck auf die Schilddrüse sollte immer nur sehr behutsam ausgeübt werden und bei Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion, Bluthochdruck oder Entzündungen im Hals sogar gemieden werden.
4. Maha-Bandha – Kombination 1-3
Die Kombination von 1) Mula-Bandha (Aktivierung beim Einatmen) und 2) Uddiyana-Bandha (Aktivierung beim Ausatmen) im Atemrhythmus führt sowie 3) Jalandhara-Bandha jeweils dazwischen in den Atempausen, verstärkt alle Wirkungen der 3 Bandhas . Zudem wird dieser Kombinationsübung nachgesagt, dass sie die Zell-Regeneration anregt und fördert und damit einen heilenden Effekt hat (Anti-Aging-Effekt inklusive).
Überblick
Zusammenfassend
ist das Aktivieren/Setzen von Bandhas wichtig für unsere Kraftübertragung aus der Körpermitte
für anspruchs- und kraftvolle Asanas wie den Kopf- und Handstand, Armbalancehaltungen u.ä.. Bei Asanas wie Krieger und Balancehaltungen hilft es die Körperspannung aus der Körpermitte heraus aufzubauen, zu halten und das Gleichgewicht zu kontrollieren. Es ist zugleich eine Konzentrationsübung
was u.a. bei der Meditation dienlich ist und sorgt auch für unseren Energiehaushalt
und zur Harmonisierung unseres Energielevels (anregend, beruhigend). Nicht zuletzt kräftigen sie unsere Muskeln
, sorgen für ein straffes Gewebe
, steigert Sexualität/Libido/Potenz und wirken sohin wie ein natürliches Aphrodisiakum
. Vielleicht ist auch deshalb das Wort übersetzt als Binden, Bindung, Verbindung zu übersetzen – da es auch indirekt zwischenmenschlich bindet/verbindet
.
In diesem Sinne: Namaste meine Lieben. Eure Michéle
Wie geht es euch beim Setzen der Bandhas? Gibt es Bandhas die ihr öfter praktiziert als andere? Welche dieser Übungen ist euch schon bei Alltagstätigkeiten untergekommen, z.B. beim Hochheben eines schweren Gegenstandes? Habt ihr einmal die aphrodisierende Wirkung gespürt? Ich freue mich auf eure Kommentare und Beträge zum Thema!
Literatur-, Quellenhinweis:
Gurmukh, Gathryn Michon: Die 8 Gaben des Menschen. Die Chakras heilen und stärken durch Kundalini Yoga. Übers. v. Karen von Hardenberg, Theseus in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld, 3. Aufl., 2016
Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Philosophie-Atlas. Via Nova Verlag, Petersberg, 5. Aufl., 2016