Yoga Nidra & Pratyahara

ViennaYoga by Michéle • Aug. 29, 2019

Yoga Nidra: Der Schlaf des Yogis & die Umkehrung der Sinne

Yoga Nidra ist eine Form der geführten Meditation. Es ist eine Methode, die zu körperlicher, geistiger und emotionaler Entspannung führt. Während dieser tiefen Regeneration bleibt man bei vollem Bewusstsein.

„Yoga Nidra ist die Lehre der EntSpannung, die uns dazu befähigt, tief in unbewusste Schichten einzudringen und mentale Spannungen aufzulösen. Dadurch kann sich in unserem ganzen Wesen Harmonie einstellen.“ (*1, S16)

Yoga Nidra wird auch als ‚der Schlaf des Yogis‘ bezeichnet. Das liegt daran, dass der Körper quasi schläft, während der Geist wach ist.

Oft werde ich gefragt, warum man sich bei Yoga Nidra nicht bewegt, wo es doch ‚Yoga‘ heißt. Denn Yoga wird meist als eine Form der sportlichen, körperlichen, gesunden Bewegung und Betätigung verstanden. Wenn auch du dich das fragst, möchte ich dich gerne zu meinen Blog Beitrag ‚ Was ist Yoga ‘ weiterleiten.

Hier nur ganz kurz die Übersetzung der Wörter ‚Yoga‘ und ‚Nidra‘. Diese Begriffe stammen beide aus dem Sanskrit. Das Wort ‚Yoga‘ aus dem Sanskrit, kann mit 'Verbindung' oder 'zusammenfügen' übersetzt werden. Das Wort ‚Nidra‘ aus dem Sanskrit kann man mit ‚Schlaf‘ übersetzen. ‚Yoga Nidra‘ wird als ein ‚dynamischer Schlaf‘, eine 'systematische Methode‘ beschrieben, um physische, mentale und emotionale Entspannung herbeizuführen.


„Yoga Nidra [wird] auch als psychischer Schlaf oder Tiefenentspannung mit innerer Bewusstheit bezeichnet. Auf dieser Schwelle zwischen Wachen und Schlafen wird unwillkürlich die unter und die unbewusste Dimension berührt.

In Yoga Nidra wird der Zustand der Entspannung durch das Zurückziehen von der Außenwelt erreicht, verbunden mit einem Sich-Nach-Innen-Wenden. Kann das Bewusstsein von der äußeren Wahrnehmung und gleichzeitig vom Schlaf getrennt werden, wird es sehr kraftvoll und kann auf vielerlei Arten genutzt werden, z.B. um das Gedächtnis zu schulen, um Wissen und Kreativität zu vertiefen oder um die ganze Persönlichkeit neu zu gestalten.

Patanjali spricht in den Raja Yoga Sutras von Pratyahara, einem Zustand, in dem der Geist von den Sinneskanälen losgelöst wird. Yoga Nidra ist einer der Aspekte von Pratyahara und führt in die höheren Stufen der Konzentration und in Samadhi.“ (*2, S1f)


Was Yoga Nidra nicht ist > Yoga Nidra ist keine Hypnose. Die/der Praktizierende ist während der ganzen Übung bei wachem Bewusstsein.

Woher kommt Yoga Nidra?

Swami Satyananda Saraswati , der Autor des von mir hier zitierten Buches, ist der Begründer des Yoga Nidra. Er entwickelte diese Methode als Wissenschaft, die sich auf alten tantrischen Schriften gründet. Der Grundstein dafür wurde vor ungefähr 35 Jahren in Rishikesh gelegt (so schreibt er selbst). Hieraus konzipierte er ein neues System, das von jedem (unabhängig von Alter, Religion und Kultur – also durchaus auch von Kindern) praktiziert werden kann und für die ‚heutigen‘ Bedürfnisse - auch der westlichen Kultur und der hier sehr schnelllebigen Zeit - entwickelt wurde.

Die Wirkungen dieser Methode wurde bisher mit bereits zahlreichen, wissenschaftlichen Untersuchungen an unterschiedlichen Kontrollgruppen für die verschiedensten z.B. therapeutische Anwendungsgebiete, bestätigt.

Teile eines Zitats von Swami Satyananda Saraswati selbst: „Die meisten Menschen schlafen, ohne ihre Spannungen vorher zu lösen. Das nennt man Nidra. Nidra bedeutet Schlaf, egal wie. Yoga Nidra aber ist der Schlaf, nachdem alle Lasten entfernt wurden. Es ist eine völlig andere neue Qualität. […] Entspannung bedeutet nicht Schlaf. Entspannung ist ein wunderbares Glücksgefühl, das niemals endet. […]“ (*3, S9)

Was ist das Sankalpa?

Das ist ein Entschluss, ein Vorsatz, eine Suggestion, die man sich selbst erwählt und formuliert bevor man in die Praxis geht. Dieser Vorsatz, ist positiv, kurz, präzise, eindeutig und in der Ich-Form. Es ist dies eine klare, für sich selbst glaubwürdige Aussage, die man in seinem eigenen Leben verstärken oder damit sogar mögliche persönliche Schwächen in Stärken umwandeln kann.

Im Zuge der angeleiteten Yoga Nidra Praxis wird die Einladung kommen, sich selbst diesen Satz im Geiste zu sagen – überzeugt, entschlossen und am besten mit tiefem, innerlichem Vertrauen an der Verwirklichung deines Sankalpas. So wird (auch das wurde wissenschaftlich belegt) dieser Vorsatz im Laufe der Praxis, durch den Geist aus einem hypnagogischen Zustand (von Swami Satyananda Saraswati selbst liebevoll ‚hypnayogischer‘ Zustand genannt) ins Wachbewusstsein übertragen und wird sich dort verwirklichen. Das heißt mit anderen Worten, das Sankalpa ist ein Samen (ein Wunsch, ein Vorsatz), der ins Unterbewusste gelegt wird, um sich von dort aus zu entwickeln und zu entfalten, zu verwirklichen.

Die von mir hier beschriebenen wissenschaftlichen Belegungen und Untersuchungen können gerne direkt im Buch ‚Yoga Nidra‘ von Swami Satyananda Saraswati (siehe Literaturhinweis am Blog-Ende) nachgelesen werden.

Beispiele für ein Sankalpa : „ich nehme mich selbst, so wie ich bin, liebevoll an“ oder „ich bin mit allem womit ich beginne erfolgreich“ oder „ich vertraue auf meine Intuition“ oder „ich erwecke meine spirituelle Kraft“

Formuliere je dein ganz persönliches, eigenes Sankalpa (oder verwende eines aus meinen Beispielen, wenn es gerade sehr gut zu dir und deiner aktuellen Lebenssituation passt). Es wird empfohlen so lange dasselbe Sankalpa zu verwenden, bis es sich erfüllt hat.

Wie oft sollt man Yoga Nidra praktizieren?

Du kannst Yoga Nidra jeden Tag praktizieren oder 1x/Woche oder auch seltener (solltest du nicht öfter die Möglichkeit dazu finden), denn jede Praxis ist besser als keine.

Eine Möglichkeit dazu gibt es zum Beispiel im Zuge meiner Workshops, Meditations- und Achtsamkeitsintensivtagen oder auf meinem Youtube Kanal.

Wie läuft eine Yoga Nidra Praxis ab – was ist das Charakteristische an dieser Praxis?

Eine Yoga-Nidra Einheit dauert etwa 20-40 Minuten und wird im Liegen, in der Shavasana-Haltung (Rückenlage) praktiziert. Meist legt man sich am Boden und unterstützt den Körper mit diversen Hilfsmitteln (vielleicht einer Decke unter dem Kreuzbein, einer Polsterrolle unter den Knien oder einer leicht erhöhten Auflage für den Nacken), sodass man ungestört von eventuellen körperlichen Schmerzen (durch langes unbewegtes Liegen, auf relativ hartem Untergrund, flach in der Rückenlage) die ganze Übung durch liegen kann. Es wird empfohlen sich je nach Jahreszeit mit einer dünnen oder warmen Decke zuzudecken (da der unbewegte Körper rasch auskühlen kann).

Das bereits beschriebene Sankalpa, den persönlichen Vorsatz, hat man sich bis dahin im günstigsten Fall, schon überlegt und für sich im Gedanken ausformuliert.

Yoga Nidra beginnt meist mit einer kurzen Anleitung für eine entspannte Körperhaltung . Oft macht man sich die Geräusche rundum bewusst und die Auflagepunkte zwischen dem Körper und dem Boden oder dem Untergrund, auf dem man liegt. All das wird angeleitet, sodass dem Übenden nichts weiter zu tun bleibt, als den Anweisungen zu folgen und seine Wahrnehmung fließen zu lassen.

Es folgt die Einladung, sich sein Sankalpa 3x im Geiste selbst zu sagen und es dann wieder los zu lassen. Und damit beginnt dann meist die eigentliche Praxis.

„Das Charakteristische an Yoga Nidra ist das systematische Kreisen der Wahrnehmung durch den Körper.“ (*4, S3)

Dieses systemische Kreisen wurde aus einer tantrischen Übung (Nyasa) abgeleitet. Es werden nach einem bestimmten System unterschiedliche Körperteile der Reihe nach genannt, die sich der/die Übende bildlich vorstellt und den Namen im Geiste für sich 1x wiederholt. Dabei wandert man recht zügig durch den Körper, um damit ein ausgedehntes Nachdenken über den jeweiligen Körperteil zu unterbinden. Es soll die Wahrnehmung fließen und das Denken pausieren. Durch diese Übung entspannt sich der gesamte Körper, inkl. Nervensystem und auch der Geist kommt vollständig zur Ruhe – man bleibt jedoch wach!

Das angenehmste bei Yoga Nidra (wie eigentlich bei fast allen Meditationsarten) ist der Schwebezustand zwischen Schlafen und Wachsein. Gerade bei Yoga Nidra (da im Gegensatz zu vielen anderen Meditationen diese Übung im Liegen praktiziert wird) ist jedoch die Häufigkeit des Einschlafens recht häufig gegeben und daher der eigene Wille, während der Übung wach zu bleiben, ausschlaggebend für den maximalen Genuss und Wirkung.

Je nach Art, Dauer und Ausrichtung (Ziel) der Yoga Nidra Einheit, können weitere Anleitungen folgen .

Zum Beispiel:



  • zu unterschiedlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung des Atems :

vor allem das Zählen des Atems wird sehr häufig angeleitet, da es zur Entspannung beiträgt und vor allem auch zu einer konzentrierten, fokussierten Wahrnehmung


  • zum Wahrnehmen unterschiedlicher Empfindungen

vor allem das Wechseln gegensätzlichen Empfindungen, wie Kälte und Wärme udgl., da dies die beiden Hirnhemisphären harmonisiert


  • zum Wahrnehmen unterschiedlicher Gefühle

auch hier werden der Wechsel von gegensätzlichen Gefühlen wie Liebe und Hass udgl. wahrgenommen, da man durch diese Übung eine bessere Kontrolle über unsere Gefühle entwickeln kann und nochmal erlebte Gefühle es ermöglichen, diese aus unserem Speicher zu entfernen um frei zu werden (natürlich frei von negativen Emotionen)


  • zur Visualisierung unterschiedlicher Bilder und Szenen

dies führt vor allem zur mentalen Entspannung und fördert die Selbstwahrnehmung. Es heißt auch, dass je nach Bild und Vorprägung des/r Übenden, sich der Geist entspannt und sich von störenden, schmerzhaften Inhalten reinigt (dies geschieht aufgrund der Überschneidung von bewusstem und unterbewusstem Zustand – kurz gefasst ).


Die Yoga Nidra Einheit wird meist damit beendet, dass man wieder eingeladen wird, sich sein Sankalpa im Geiste zu sagen. Danach wird die Meditation langsam und in Ruhe ausgeleitet bis man sich wieder beginnt sanft und genüsslich zu bewegen.

Was noch wichtig für die Praxis ist, ist die beruhigende Information, dass die/der Übende während der Einheit sich nicht konzentrieren braucht. Ganz im Gegenteil. Es geht darum die Wahrnehmung fließen zu lassen. Was jedoch auch schon mal eine Herausforderung sein kann, die Konzentration gegen die reine, kraftvolle Wahrnehmung zu tauschen.

Yoga Nidra ist keine Konzentrations- sondern eine Wahrnehmungsübung, in der man sich völlig entspannen und ausruhen kann.

Wissenschaftlich untersuchte und bestätigte Wirkungen


  • löst 3 Arten von Verspannungen: körperliche, emotionale und mentale
  • vom Grad der Entspannung entspricht etwa 1 Stunde Yoga Nidra, 4 Stunden schlafen ohne Bewusstsein
  • Harmonisierung (Ausgleich) von psychosomatischen Disharmonien
  • Verbessert die Erinnerungskraft (und damit auch das Lernvermögen)
  • Unterstützt die Entwicklung der Psyche bei Kindern (Details nachlesen *5, z.B. S192)
  • Wirkt auf viele Formen von Stress entgegen
  • Fördert die Selbstwahrnehmung
  • Und viele andere mehr, die gerne direkt u.a. im Buch siehe Literaturhinweis nachgelesen werden können, namaste

Therapeutische Anwendungsgebiete von Yoga Nidra

Yoga Nidra wird seit vielen Jahren zur Behandlung (oder Unterstützung von Behandlungen) von:


  • Psychischen Störungen
  • Schlaflosigkeit
  • Drogen und Alkoholsucht
  • Chronischen Krankheiten
  • Psychosomatischen Krankheiten (z.B. Asthma, Magengeschwür u.a.)
  • Störungen des Herzkreislaufsystems
  • Sowie allgemein zur Schmerzlinderung (z.B. Geburten, Mensturationsstörungen u.a.)

eingesetzt.



Schön, dass du dir die Zeit genommen hast meinen Beitrag zu lesen. Ich wünsche dir bei deinen Meditationen weiterhin tiefe Einsichten, Entspannung und vor allem die Wahrnehmung deiner innigen Freude und Liebe zu dir selbst und daraus erwachsend zu allen Wesen.

In diesem Sinne: Namaste meine Lieben! Eure Michéle.


Ich freue mich wieder auf eure comments, likes and shares.


Literaturhinweise:

[*1-5] Swami Satyananda Saraswati: Yoga Nidra. Ananda Verlag / Satyananda Yoga Zentrum e.V., 5. Aufl. 2019
P. Y. Deshpande, Bettina Bäumer: Die Wurzeln des Yoga. O.W. Barth Verlag, Bern, Neuausgabe 2010

Bild:
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